NACHVERRECHNUNG von TRAFFIC-Limit-Überschreitungen

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Johannes
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NACHVERRECHNUNG von TRAFFIC-Limit-Überschreitungen

Beitrag von Johannes » 26.04.2006, 11:09

Ein interessantes Urteil des Handelsgerichtes Wien zur REchtsnatur eines ADSL-Provider-Vertrages lässt aufhorchen:

Quelle: Recht der Wirtschaftschaft, RdW 2006, 203:

SACHVERHALT:
Der Kläger schloss mit der TELEKOM AUSTRIA einen Internet-ADSL-Providervertrag über "AONline Speed plus" ab. Dabei war ein unbegrenztes UPLOAD und ein Download-Volumen von 1GB vereinbart. Der UPLOAD von Daten war zur Gänze im monatlichen Entgelt mitinbegriffen.

Im März 2003 wies der Account ein Vielfaches an Transfervolumen (UPLOAD 1,02GB/Download 6,61GB) auf, sodass dem Kläger ein Vielfaches an Gebühren von der TA vorgeschrieben wurde.

Nach den Ausführungen des Klägers sei das Überschreiten des Transfervolumens durch DRITTE (etwa durch PortScans oder Ping-Attacken) verursacht worden.


WÜRDIGUNG durch das Handelsgericht Wien:

Der Access-Provider-Vertrag begründet ein Dauerschuldverhältnis, wo der Kunde Zeit und Ausmaß der Leistung selbst bestimmen kann.

Hinsichtlich der Daten, die ohne Anforderung des Kunden von einem DRITTEN übermittelt und das Transfervolumen erhöht haben, liegt KEIN dem Internetzugang zurechenbarer REALAKT vor, sodass die darauf zurückzuführenden DOWNLOAD-MENGEN keine Entgeltwirkung entfalten können.

Das Handelsgericht Wien greift dabei auf die Rechtsprechung des OGH zum Missbrauchsrisiko von Bankomatkarten zurück. Demnach kann der Internetprovider das Risiko, das im Einsatz komplizierter Geräte und der Technik liegt, ohne Verschulden des Kunden nicht auf diesen überwälzen. Dies insbesondere dann, wenn FIREWALL etc. korrekt eingestellt ist.

Daher wäre es bei der TA gelegen nachzuweisen, dass die von ihr verrechneten Beträge auf ein Verhalten des Klägers zurückzuführen sind.

Die Vereinbarung eines Entgeltes für unaufgefordertes und vom Kunden nicht angenommenes Download-Volumen ist daher sittenwidrig iSd § 879 Abs 1 ABGB.


Soweit zu den wesentlichen Aspects! Ich bin gerne bereit, bei Bedarf die Details aus den juristischen Ausführungen des HG-Wien ins "NORMAL-Deutsch" zu übersetzen.

Auf gut Deutsch:
Die TELEKOM AUSTRIA kann einem beim Überschreiten des Transfervolumens keine Gebühren vorschreiben, wenn zweifelsfrei dokumentiert werden kann, dass
- das Transfervolumen durch Dritte (zB PortScans, Ping-Befehle, DOS-Attacken) verursacht und
- alle Sicherheitsvorkehrungen (zB richtig eingestellte Firewall) beachtet wurden.


Johannes

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Stefan
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Re: NACHVERRECHNUNG von TRAFFIC-Limit-Überschreitungen

Beitrag von Stefan » 26.04.2006, 12:18

Johannes hat geschrieben:- das Transfervolumen durch Dritte (zB PortScans, Ping-Befehle, DOS-Attacken) verursacht
Wert trägt nun die Beweislast?? Als "Endkunde" hast du da keine realistische Chance, ohne permanenten Log, Trace,... da nur ansatzweise etwas zu belegen.

Ich glaub, die Geschichte hatten wir schon einmal im Forum...

Grüße
Stefan

Johannes
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Re: NACHVERRECHNUNG von TRAFFIC-Limit-Überschreitungen

Beitrag von Johannes » 26.04.2006, 13:06

Stefan hat geschrieben:
Johannes hat geschrieben:- das Transfervolumen durch Dritte (zB PortScans, Ping-Befehle, DOS-Attacken) verursacht
Wert trägt nun die Beweislast?? Als "Endkunde" hast du da keine realistische Chance, ohne permanenten Log, Trace,... da nur ansatzweise etwas zu belegen.

Ich glaub, die Geschichte hatten wir schon einmal im Forum...

Grüße
Stefan
Aus den Ausführungen dieses Urteils ergibt sich in diesem Zusammenhang, es wäre an der TELEKOM AUSTRIA gelegen gewesen nachzuweisen, dass die von ihr vorgeschriebenen Entgelte aus Downloadvorgänge zurückzuführen sind, die dem KLÄGER zuzurechnen sind. Selbst wenn man den Umstand des Downloads als Anscheinsbeweis ausreichen ließe, wird mit der Möglichkeit eines "PORT-Scans" oder eines "PINGS" der Anscheinsbeweis erfolgreich erschüttert.

Nach diesem Urteil liegt die Beweislast mE eindeutig bei der TELEKOM AUSTRIA!

Nach den Anmerkungen der Redaktion (RdW) ist diese Entscheidung eine der ersten im deutsch-sprachigen Raum zum Problem der Nachverrechnung von Traffic-Limit-Überschreitungen! Ich halte es daher für sehr unwahrscheinlich, dass dieses URTEIL in einem Thread bereits behandelt worden wäre!

Johannes

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Re: NACHVERRECHNUNG von TRAFFIC-Limit-Überschreitungen

Beitrag von Stefan » 26.04.2006, 13:36

Johannes hat geschrieben:Nach diesem Urteil liegt die Beweislast mE eindeutig bei der TELEKOM AUSTRIA!
Heißt das nicht umgekehrt, dass ich dem Prinzip nach bei jeder Nachverrechnung Einspruch erheben kann, mit der Spekulation, dass die TA bei einem Betrag von - ich sag mal bis - € 100,- keine Anstrengungen unternehmen wird, diesen aus "Selbst"Kostengründen abzuwehren :?:
Ich halte es daher für sehr unwahrscheinlich, dass dieses URTEIL in einem Thread bereits behandelt worden wäre!
Schon gut, ich kann mich ja auch mal geirrt haben! :wink:


Grüße
Stefan

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Re: NACHVERRECHNUNG von TRAFFIC-Limit-Überschreitungen

Beitrag von Johannes » 26.04.2006, 13:54

Stefan hat geschrieben:
Johannes hat geschrieben:Nach diesem Urteil liegt die Beweislast mE eindeutig bei der TELEKOM AUSTRIA!
Heißt das nicht umgekehrt, dass ich dem Prinzip nach bei jeder Nachverrechnung Einspruch erheben kann, mit der Spekulation, dass die TA bei einem Betrag von - ich sag mal bis - € 100,- keine Anstrengungen unternehmen wird, diesen aus "Selbst"Kostengründen abzuwehren :?:

Grüße
Stefan
Ab welchem Traffic und ab welcher Häufigkeit von Einsprüchen es die TA unterlässt, Nachforschungen anzustellen, muss diese selbst entscheiden!


Die Beweislast der TA entspringt aus den nachfolgenden Überlegungen des HG Wien:

Die Vereinbarung eines Entgeltes für ein unaufgefordertes und vom Kunden nicht angenommenes Download-Volumen, das nicht der Sphäre des Kunden entspringt, ist sittenwidrig nach § 879 Abs 1 ABGB. In diesem Fall ergibt die Interessenabwägung ein grobes Missverhältnis zwischen den durch Missbrauch verletzten und den durch sie geförderten Interessen.

Ausgehend von der Sittenwidrigkeit einer Verrechnung nicht durch den Kunden konsumierten Leistungen, wäre es an der TA gelegen gewesen nachzuweisen, dass die verrechneten Beträge auf dem Kläger zuzurechnende Downloadvorgänge zurückzuführen sind.

Johannes

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Beitrag von Stefan » 26.04.2006, 14:53

Naja, das ganze mal wirtschaftlich gesehen:

Mit diesem Urteil hat die TA einen Schuss vor den Bug bekommen, was mittelfristig eine Änderung der Fair-Use Bestimmungen nach sich ziehen kann - Voraussetzung dafür aber ist, dass dieses Urteil erst einmal "in die Öffentlichkeit" dringen muss, sonst wird keiner reklamieren.

Am ehesten wird es nach verbrauchtem Guthaben eine Sperre des Anschlusses bedeuten, was den User zwingen wird, ein größeres Paket zu kaufen - vielleicht sogar eine automatische Umstellung auf ein größeres Produkt.

Langer Rede, kurzer Sinn: Die TA wird auf dieses Körberlgeld nicht verzichten, sondern Alternativen suchen, was zwar eine Verbesserung für den Einzelnen darstellt, aber u.U. eine Erhöhung der Fixkosten für das Kollektiv...

Grüße
Stefan

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